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Das Streitgespräch



20:00 Uhr – das Theaterstück beginnt. Gleich zu Beginn habe ich totale Schluckbeschwerden, so als ob ich Sägespäne im Rachen habe, die sich nicht runterschlucken lassen. Durch meine Gedanken zieht der Satz „Ich nehme all meinen Mut zusammen, um was zu sagen“. Im Inneren schließen sich ganz viele Teile zusammen, die allein für sich niemals aufbegehrt hätten. Die Anteile in mir stimmen sich ab, wer was sagen soll. Die Angst schnürt mir die Kehle zu, der innere Druck bringt mich zum Räuspern. Der männliche und weibliche Anteil in mir streiten.


Es steht der Vorwurf im Raum, dass es uns keinen Erfolg gebracht hat, seit der weibliche Teil die Führung übernommen hat. „Das haben wir von deiner Passivität! Hättest du mich mal machen lassen, so wie in der Vergangenheit, dann wären wir jetzt schon weiter.“


Der weibliche Anteil hat nichts Konkretes vorzuweisen. Da ist nur das Gefühl, dass es der richtige Weg ist, obwohl es im Moment nicht danach aussieht. „Es gibt gerade nichts für dich zu tun. Du hast solange alles für uns geregelt, jetzt kannst du dich mal ausruhen. Wenn es eine Entscheidung zu treffen gibt, bei der du gebraucht wirst, bitte ich dich um Hilfe. Versprochen. Danke, dass du mir die Chance gibst, es mal anders zu machen.“


Zwei Stockwerke unter mir höre ich, wie der kleine Junge lautstark durch die Wohnung in sein Zimmer rennt. Knallend fällt seine Zimmertür ins Schloss.


Himmlische Ruhe breitet sich in mir aus, ich kann tief durchatmen.


Die Waschmaschine in der Wohnung unter mir ist gerade im Schleudergang – die Bühne in mir ist frei, leer, saubergefegt. Um 20:40 Uhr fällt der Vorhang.

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